Aktive Fiebertherapie

Detailanalyse des Verlaufs von 350 aktiven Fiebertherapien mit 2 verschiedenen Bakterienlysaten und Behandlungsprotokollen.

Schon seit der Antike wurden immer wieder Teil- und Komplettremissionen bei Krebs, chronischen Infektionen und Nervenleiden nach hochfieberhaften Infektionen beobachtet. Hippokrates sprach vom „reinigenden Feuer“ und Hahnemann von einem „wohltätigen Prozess, wonach der Mensch gänzlich zu genesen pflegt …“. Für Hufeland war Fieber „Ausdruck einer Naturkraft, die den Heilungsprozess einleitet‘. Professor Fehleisen behandelte 1882 in Würzburg Krebskranke mit Rotlauf-Erregern (Erysipel-Kokken). Coley verwendete ab 1892 in New York eine Kombination aus Streptokokken und Bacterium prodigiosum zur Fiebererzeugung und berichtete über vielfache Heilungen von Sarkomfällen. Schließlich erhielt Jauregg 1929 den Nobelpreis für seine Entdeckung, dass mit künstlich erzeugtem Fieber schwerste neurologische Spirochaeteninfektionen (Lues) zu kurieren waren. Remy stellte aufgrund seiner statistischen Erhebungen fest, dass Krebskranke vor ihrer Erkrankung weitgehend keine fieberhaften Infekte erlebt haben.

Die Evidenz für die Wirksamkeit der Fiebertherapie ist eindrucksvoll; sie gründet sich nicht nur auf dokumentierte Therapieerfolge, sondern auch auf klinische Beobachtungen von Tumor-Remissionen unter fieberhaften Infekten, tierexperimentelle Studien und epidemiologische Befunde. Es kommt nachweislich zu Rückbildungen von Tumoren, Verhinderungen von Rezidiven und Metastasen, Verringerung der Tumorschmerzen, Verbesserungen des Blutbildes, Appetit- und Gewichtszunahme, rascherer Wundheilung und Regeneration von Knochengewebe.

Während der Fieberphase bieten Patenten zudem erleichterten Zugang zu ihrer Tiefenpsyche, wodurch psychotherapeutische Interventionen profitieren können. Ziel der Fiebertherapie Ist dle Anregung des getarnten Immunsystems einschließlich der retikulärendothelialien und phagozytären Funktionen sowie interessanter Welse auch eine psycho-vegetative Umstimmung des Menschen in seiner Ganzheit aus Körne, Geist und Seele. Zur Erzeugung der aktiven Fieber-Reaktion werden intravenöse Injektionen steiler Bakterien-Autolysate angewendet, deren Lopopolysaccharide je nach Applikationsart (i.v. oder sh) mehr oder weniger deutliche Temperaturanstiege verursachen. und generell fördernd auf die Immunaktivität durch Anregung Im Vordergrund der Immunreaktionen nach Injektionen fiebererzeugender Bakterienlysate stehen die Ausschüttung von Biomodulatoren (Interleukinen, Zylokinen) mit nachfolgender Anregungen der Funktionen von T-zytotoxischen Lymphozyten, antigenabhängiger und natürlicher Killerzellen und aktivierter Phagozyten bzw. dendritischer Zellen.

Problemstellung

Nachdem In den 90er Jahren die Bakterienlysatmischung VACGINEURIN® vom Markt genommen wurde und parallel hierzu die passive Hyperthermie an Umfang und Bedeutung zunahm, trat die aktive Fiebertherapie zunehmend In den Hintergrund ganzheitlicher Immuntherapiekonzepte. Doch die Verfechter dieser aktiven Immunstimulation blieben und erhielten durch die Verfügbarkeit inhaltlich und methodisch standardisierter Bakterienlysate wieder die Möglichkeit zur Anwendung, vornehmlich in Kliniken und Therapiezentren.

In der vorliegenden umfangreichen Datenbankanalyse der Fiebertherapieprotokolle mit aktuell verfügbaren Bakterienlysaten stand die Evaluierung der Temperaturverläufe und -kinetik, Sicherheit und Nebenwirkungsproblematik im Mittelpunkt. Der Einfluss der Integration einer moderaten Ganzkörperhyperthermie auf die Zielparameter wurde durch zwei Therapieprotokolle zusätzlich beobachtet.

Patienten und Vorgehensweise

Insgesamt kamen 350 Protokolle der aktiven Fiebertherapie von 108 Patienten zur Datenbankauswertung, welche fortlaufend in den Monaten Januar bis Mai der Jahre 2006 (Gruppe 1, n = 135, 44 Patenten) und 2009 (Gruppe 2, n = 215, 62 Patenten) durchgeführt wurden. Die Behandlung erfolgte bei den Insgesamt 106 Patienten Im Rahmen der onkologische Therapie (n = 57) bzw. aktivonkologischen Nachsorge (n = 28), aufgrund chronischer Borreliose (n = 8), Entzündungen (n = 9) und Infektanfälligkeit (n = 4). Eingesetzt wurden ausschließlich die Bakterienlysate der Organorned®- Laborgemeinschaft (Dr. Neumeyer, Hamburg) mit den folgenden zwei Mischungen:

  • Serratia marcescens (gram -)/ Streptococcus pyogenes (gram +) (= Serr/Strept), sterile Aufarbeitung der aus 109 Keime/mI Stammlösung, 1:100 Verdünnung
  • Pseudomonas aeruginosa (gram -)/ Streptococcus pyogenes (gram +) (= Pseud/Strept), sterile Aufarbeitung der aus 109 Keime/ml Stammlösung, 1 : 60 Verdünnung

Die Dosierung des Bakterienlysates erfolgte in Abhängigkeit der Vitalität des Patienten, die neben dem klinischen Erscheinungsbild insbesondere am Therapieindex (Thl) der Computer-Regulationsthermographien ROST kalkuliert wurde.

Im Rahmen der Erstbehandlung wurden hierbei von der 1:4 verdünnten Stammlösung 4 ml bei Thl bis 12, 3 ml bei Thl über 12 bis 15, 2 ml bei Thl über 15 bis 18 und 1 ml bei Thl über 18 appliziert.

Bei Wiederholungsbehandlungen und guter Toleranz der ersten aktiven Fiebertherapie wurde bei ∆T > 2°C zunächst mit dem gleichem Bakterienlysat behandelt, bei Dosissteigerung um jeweils 1 ml. Alle 3 — 4 Behandlungen erfolgte jedoch generell der Wechsel zum anderen Bakterienlysat; ebenso bei Temperaturdifferenzen ∆T < 2 °C (sog. low responder).

Die Durchführung der aktiven Fiebertherapie richtete sich nach den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Fiebertherapie der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie (DGHT e.V.) sowie der Organomed® Laborgemeinschaft Hamburg. Im Unterschied zur Gruppe 1 wurden die Patienten der Gruppe 2 vor Applikation des Bakterienlysats 30 Minuten mit Ganzkörperhyperthermie (Gerät IRA 1000, Fa. von Ardenne, Dresden) vorbehandelt.

Ergebnisse

In Tabelle 1 wurden die wichtigsten Zielparameter und Nebenwirkungen mit Gegenüberstellung der beiden Behandlungsprotokolle zusammengefasst.

Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra Zielparameter und Nebenwirkungen mit Gegenüberstellung

Während die Zielparameter Maximaltemperatur und maximale Temperaturdifferenz in beiden Gruppen fast identisch waren, reduzierten sich die Nebenwirkungen in der Gruppe mit Hyperthermie-Vorbehandlung um über die Hälfte. Die Schwäche der Patienten am Folgetag nach der aktiven Fieberbehandlung zeigte allerdings kaum Unterschiede. Stellt man die Temperaturverläufe der genutzten Bakterienlysate gegenüber, so war der Temperaturanstieg von Serr/Strept vielfach schneller und dynamischer zu verzeichnen. Dem gegenüber stehen der meist langsamere Temperaturanstieg und eine längere Plateauphase bei Pseud/Strept (Abb. 1). Bezogen auf die Verteilung erreichter Maximaltemperatur und maximaler Temperaturdifferenz zeigen beide Stoffe ein sehr ähnliches Bild (Abb. 2 und 3).

In 34,2 % der mit Pseud/Strept und 36,1 % der mit Serr/Strept behandelten Fälle wurde in der ersten Nacht und am Folgetag eine weitere Fieberspitze über 38.5 °C hinaus beobachtet.

Entgegen den Erwartungen konnten bei beiden Bakterienlysaten keine direkten dosisabhängigen Wirkbeziehungen bezogen auf die ausgelöste Fieberhöhe dargestellt werden. Allerdings erfolgten gemäß der Patientenvitalität bei der Erstbehandlung generell niedrige Anfangsdosierungen, die dann erst im Verlaufe von Wiederholungsbehandlungen schrittweise gesteigert wurden. Bei dieser Vorgehensweise konnten gut steuerbar regelmäßig Fieberschübe induziert und gut verträglich umgesetzt werden (Abb. 4 und 5).

Wie das Fallbeispiel aus Abbildung 6 verdeutlicht, konnten auch bei aktiven Fiebertherapien kontinuierlich gute Fieberverläufe ausgelöst werden – bei meist deutlicher Abnahme therapiebedingter, vorübergehender Nebenwirkungen. Schwerwiegende und relevante anhaltende Nebenwirkungen wurden in keinem der untersuchten Fälle beobachtet oder von den betreuenden Therapeuten berichtet.

Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra mittlerer Temperaturverlauf
Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra Maximal Temperaturen
Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra Maximal Temperaturdifferenzen
Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra Mittlerer Temperaturverlauf Bakterienlysat Pseudo
Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra Mittlerer Temperaturverlauf Bakterienlysat Serra
Aktive Fiebertherapie Pseudo vs Serra Temperaturmessung

Wesentliche Schlussfolgerungen

Die aktive Fiebertherapie mit Bakterienlysaten der Organomed-Laborgemeinschaft Hamburg ist bei entsprechender Handhabung, die eine klare Indikationsstellung, Patientenvorbereitung und individuelle Dosierung voraussetzt, sicher, gut steuerbar, mit geringen Nebenwirkungen belastet, unproblematisch auch bei häufiger Anwendung und durch den alternierenden Gebrauch der Sorten Pseud/Strept und Serr/Strept fortwährend mit hohen maximalen Temperaturdifferenzen verbunden. Damit verbunden besteht in erfahrener Hand die Möglichkeit, bei Gewährleistung eines adäquaten Aufklärungs- und Bereitschaftssystems, diese Therapie auch ambulant durchzuführen.

Bei vorhandenen Risiken seitens des Patienten und Unsicherheiten seitens des Therapeuten wird allerdings unverändert die erste aktive Fiebertherapie mit diesen Bakterienlysaten unter stationären Bedingungen empfohlen. Die Kombination mit Verfahren der passiven Hyperthermie bietet sich integrativ an und reduziert signifikant die therapietypischen Nebenwirkungen sowie den energetischen und emotionalen Stress für die Patienten. Sie sollte aber vor Applikation des Bakterienlysates erfolgen, um vegetative Umschalt- und Regelprozesse (wie Schweißbildung, Schüttelfrost, zentrale und periphere Durchblutung), die sich bei aktiver Fieberentwicklung teilweise deutlich von denen bei passiver Hyperthermie unterscheiden, nicht zu vermischen (andernfalls könnten Nachteile für den Behandlungseffekt entstehen).

Mit anderen Worten: Das „Erleben des Fiebers aus eigener Kraft“ sollte nicht durch andere Wärmeapplikationen verwässert werden.

 

Autoren: Dr. med. Ralf Oettmeier und Dr. med. Uwe Reuter

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