– Artikel im Sonderheft Onkologie III 2025 –

Einleitung

Die Hyperthermie, das gezielte Erhöhen der Kör­pertemperatur zur Behandlung gesundheitlicher Beschwerden, hat sich zu einer bedeutenden medizinischen Technik entwickelt. Besonders in der Onkologie hat sie in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Dieser Artikel behan­delt die Arten der Hyperthermie, ihre Anwendun­gen, Indikationen und Kontraindikationen und gibt einen Überblick über historische Hintergründe, aktuelle Forschungsergebnisse und zukünftige Entwicklungen.

Geschichte der Hyperthermie

Die Wurzeln der therapeutischen Hyperthermie rei­chen bis zu den Ägyptern vor über 2.000 Jahren, als Ärzte erst nach drei Tagen Fieber Ihre pflanzlichen Arzneien verordnen durften, weil alle wussten, dass Fieber viele Erkrankungen heilen kann. Bei den alten Griechen war es Hippokrates (ca. 460-370 v. Chr.),der antike griechische Arzt, oft als· ,Vater der Medizin“ bezeichnet, erkannte die Vorteile von Fieber als natürliche Abwehrreaktion gegen Krankheiten. Seine Einsichten legten den Grundstein für die spätere Nut­zung von Wärme in der Therapie.
Julius Wagner-Jauregg (1857-1940): Der österreichi­sche Psychiater entwickelte die Fiebertherapie durch Induktion von Malariafieber, um die progressive Para­lyse bei Syphilis-Patienten zu behandeln. Diese bahn­brechende Arbeit brachte ihm 1927 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ein.

William B. Coley (1862-1936): Ein amerikanischer Chirurg, der die immunologische Rolle von Fieber bei der Krebsbekämpfung erkannte. Er entwickelte „Coley’s Toxine“, eine Mischung aus Bakterien, die Fie­ber und eine Immunantwort hervorrufen sollten, um Krebszellen zu bekämpfen.

Manfred von Ardenne (1907-1997): Ein deutscher Forscher, der in den 1960er und 1970er Jahren die Grundlagen für die heutige Hyperthermie-Technologie legte. Er entwickelte Methoden zur Hyperthermiebehandlung von Krebspatienten und führte bedeutende klinische Forschungen auf diesem Gebiet durch.

Nach diesen historischen Entwicklungen im Bereich der Fiebertherapie konzentrierte sich die fortschrei­tende medizinische Forschung auf die sichere Anwen­dung von Hyperthermie am Menschen insbesondere in der Onkologie. In den letzten Jahrzehnten hat die Integration moderner Technologien die Behandlung durch präzise Temperaturkontrolle wesentlich verbes­sert und ermöglicht heute eine effektive Anwendung als Ergänzung zu Chemotherapie und Bestrahlung sowie bei nicht-onkologischen Indikationen.

Arten der Hyperthermie

Lokale Hyperthermie

Die lokale Hyperthermie zielt darauf ab, einen sehr spezifischen Bereich des Körpers, meist einen Tumor, zu erwärmen. Dabei werden Energien wie Mikrowel­len, hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU) und Laserstrahlen verwendet. Diese energieformbezo­gene Erwärmung bewirkt eine Temperaturerhöhung des Tumors auf etwa 40-45°C, wodurch die Zellstruk­turen denaturiert und die Apoptose der Tumorzellen induziert wird. In medizinischen Einrichtungen ermög­licht der Einsatz fortschrittlicher Geräte, die Wärme­abgabe präzise zu steuern und gesunde Gewebe zu schonen.

Intrakavitär/Interstitiell Hyperthermie

Eine spezielle Form der lokalen Hyperthermie ist die Interstitielle Hyperthermie, bei der die Wärme direkt in den Tumor oder die umgebenden Gewebe einge­führt wird. Mikroheizelemente oder Lasersonden wer­den hierbei in das Tumorgewebe eingebracht. Diese Methode wird häufig bei gut definierten, tief liegen­den Tumoren angewandt.

Regionale Hyperthermie

Bei der regionalen Hyperthermie wird ein größerer Teil des Körpers oder ein ganzes Organ erwärmt. Dies geschieht durch externe Anwendung von Radiowel­len oder durch interne Applikationen wie das Wärmen größerer Blutgefäße mittels Hyperthermieperfusion, um die Durchblutung speziell im Zielbereich zu för­dern. Besonders effizient erweist sich diese Methode bei der Behandlung von Tumoren im Becken- oder Bauchraum, da hierdurch die Wirkung von Strahlen­ und Chemotherapie erheblich gesteigert werden kann.

Ganzkörper-Hyperthermie

Ganzkörper-Hyperthermie wird zur systemisch-therapeutischen Behandlung eingesetzt, die den ganzen Körper auf eine Temperatur von 39 bis 42°C aufheizt. Techniken wie Wasser gefilterte lnfrarotliegen oder spezielle hyperthermische Kabinen kommen zum Einsatz. Diese Form der Hyperthermie ist besonders geeignet das Immunsystem anzuregen (moderate Hyperthermie bis 39,5° C) und bei höheren Tempe­raturen um 42° C (extreme Ganzkörperhyperthermie) potentiell die Wirksamkeit von systemischen Behand­lungen zu steigern.

Anwendung in der Onkologie

Die Onkologie hat die Hyperthermie aufgrund ihrer Fähigkeit, die Sensitivität von Tumorzellen gegenüber Chemotherapie und Strahlentherapie zu erhöhen, zunehmend genutzt. Auch die lmmunaktivierende Wirkung wird zur Minderung von Nebenwirkungen gern genutzt.

Mechanismen der Wirkung

Erhöhte Durchblutung

Wärme induziert vasodilatative Effekte in Tumorge­weben, was die Perfusion und Sauerstoffversorgung verbessert. Der Sauerstoffradikaleffekt, für den Sauer­stoff eine wesentliche Rolle spielt, wird besonders in der Strahlentherapie genutzt.

Direkte zytotoxische Effekte

Die denaturierende Wirkung von Hitze auf Proteinen führt zur Apoptose. Dies unterbindet die Zellteilungs­fähigkeit und die Fähigkeit von Krebszellen, sich aus­zubreiten.

Optimierte Arzneimittelpenetration

Die verbesserte Durchblutung ermöglicht eine bes­sere Verteilung und höhere Konzentration von Chemo­therapeutika. Dies erhöht die pharmakodynamische Wirkung.

Immunmodulation

Hyperthermie steigert die Aktivität immunrelevanter Zellen wie natürlicher Killerzellen und dendritischer Zellen, wodurch die Antigenexposition erhöht und das immunogene Potential von Tumoren gefördert wird.

 

  Indikationen und Kontraindikationen

Indikationen

Im Bereich der medizinischen Anwendungen hat die Ganzkörper- Hyperthermie vielfache Indikationen, die sich auf onkologische sowie nicht-onkologische Bedingungen erstrecken. Hier sind einige der Schlüs­selindikationen, die durch wissenschaftliche Literatur [Cheng 2019] gestützt werden:

Chemoresistente und radiorefraktäre Tumore

Tumore, die schwach auf konventionelle Therapien wie Chemotherapie und Strahlentherapie ansprechen, können durch den Einsatz von Hyperthermie eine erhöhte Sensibilität zeigen. Die thermische Behand­lung unterstützt die Aufnahme und Wirkung von Che­motherapeutika und kann die DNA-Schädigung, die durch Strahlung verursacht wird, verstärken. Van der Zee et al. (2002) demonstrieren, dass Hyperthermie die Effektivität von Strahlentherapie bei rezidivieren­den oder therapierefraktären Tumoren erheblich ver­bessert.

Tief sitzende und schwer erreichbare Tumoren

Insbesondere Tumore im Bauchraum und Beckenbe­reich profitieren von der Kombination mit Hyperther­mie. Die lokale Erwärmung kann die Durchblutung in den Bereichen erhöhen und dadurch die Ansprech­rate der Therapie verbessern. Studien zeigen, dass eine regionale Hyperthermie in Verbindung mit Che­motherapie oder Bestrahlung bei Patienten mit uteri­nen Sarkomen und rektalen Karzinomen zu besseren Ergebnissen führen kann [Fiorentini et al., 2006].

Rezidive nach konventionellen Behandlungen

Bei Tumorrezidiven, die nach herkömmlichen The­rapieansätzen auftreten, bietet Hyperthermie eine zusätzliche Möglichkeit, die therapeutische Wir­kung zu steigern. Eine Studie von Overgaard (1995) beschreibt, wie Hyperthermie zusammen mit Strah­lentherapie bei der Behandlung von oberflächlichen Tumorrezidiven wesentlich wirksamer ist als die Anwendung herkömmlicher Behandlungsmethoden allein.

Rheumatische Erkrankungen

Hyperthermie kann die Symptome durch Verbesserung der Durchblutung und Verringerung von Gelenkschmer­zen lindern. Laut einer Untersuchung von Guthrie und Law (2010) hat Ganzkörper-Hyperthermie das Potenzial, bei rheumatischen Syndromen zu helfen.

Fibromyalgie

Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkran­kung, die durch weit verbreitete Schmerzen und verstärkte Druckempfindlichkeit gekennzeichnet ist. Hyperthermie, insbesondere in Form von Ganzkör­peranwendung wie Saunagängen oder speziellen therapeutischen Wärmetherapien, kann helfen, Mus­kelentspannung zu fördern und Schmerzen zu reduzieren. Laut einer Studie von Matsushita et al. (2008) führte die Behandlung mit Waon-Therapie (einer spe­ziellen Infrarot-Wärmetherapie) zu einer signifikan­ten Schmerzreduktion und einer Verbesserung der Lebensqualität bei Fibromyalgiepatienten [Matsushita 2008].

Lu et al. (2011), Wehner (2019), Vogler et al. (2022) und Öznur (2023) beschreiben deutliche Effekte bei Fibro­myalgie und Weichteilrheuma.
In der Arbeit von Stange (2017) wird die technische Besonderheit und der Effekt wassergefilterter Infrarot­strahlung zur Körperkernerwärmung, und damit auf das muskuloskelettale System gut wirkend, beschrieben.

Infektionskrankheiten

Studien legen nahe, dass Hyperthermie als unter­stützende Therapie bei Infektionserkrankungen wie Lyme-Borreliose zur Verringerung der Bakterienlast beitragen kann. Experimentell belegt [Schmidt, 2002} dis­kutieren verschieden Autoren die potenziellen Vorteile der Hyperthermie bei der Bekämpfung resistenter bakterieller Infektionen [Brown und Vinik, 2012]. Auch bei postviralen Symptomkomplexen wie bei Post-Covid­ Zuständen kann die Ganzkörperhyperthermie im Kom­plex mit anderen Naturheilkundlichen Behandlungen sinnvoll sein [Romeyke, 2022].

Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)

Hyperthermie kann bei CFS-Patienten zu einer Verbes­serung der Symptome führen. Sawada et al. (2009) zeigten, dass Patienten von einer moderaten Hyper­thermie mit verbessertem Wohlbefinden und redu­zierten Erschöpfungssymptomen profitieren können.

Hypertonie (Bluthochdruck)

Meffert konnte bereits 1994 deutliche Effekte bei Hypertonie feststellen. Regelmäßige Hyperthermie­ Anwendungen, können sich positiv auf den Blutdruck auswirken und zur Senkung des Bluthochdruckrisikos beitragen. Durch die Erweiterung der Blutgefäße und die Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit kann Hyperthermie zur Regulierung des Blutdrucks beitragen [Meffert et al.1994, Laukkanen et al. 2015].

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

Alternative Therapieformen für COPD beinhalten das Anwenden von Hyperthermie, um die allgemeine Lun­gengesundheit zu verbessern. Eine Pilotstudie von Wagner et al. (2011) zeigte, dass Wärmeanwendun­gen die Symptome bei COPD-Patienten verbessern und die Lebensqualität steigern können.

Stressbewältigung und Entspannung

Regelmäßige Anwendung von Hyperthermie kann helfen, den Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern [Beever, 2009].

Kontraindikationen

Es finden sich relativ wenige Kontraindikationen, so dass der Einsatz der Hyperthermie integrativ in Stan­dardbehandlungen eingebunden werden kann und Beachtung der folgenden Punkte eine hohe Sicherheit verspricht:

  1. Präexistierende Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Patienten mit kardialen Vorerkrankungen könn­ten unnötigen Risiken ausgesetzt werden.
  2. Metallimplantate: Die Gefahr der Überhitzung von Metallteilen im Körper kann Probleme verur­sachen und sollte vermieden werden.
  3. Instabiler Allgemeinzustand: Patienten, die phy­sisch oder psychisch geschwächt sind, könnten durch die thermische Belastung Schäden neh­men.

Beispiele von Fallstudien aus der erweiterten Literatur

Es gibt mehrere bemerkenswerte Fallstudien, die die Wirksamkeit der Hyperthermie in verschiedenen medizinischen Anwendungen belegen.
Eine Studie von Datta et al. (2019) berichtete über die erfolgreiche Anwendung der regionalen Hyperther­mie in Kombination mit Chemotherapie bei Patienten mit Blasentumoren.

In einer Fallstudie [Jones et al., 2005] wurde die Hyper­thermie bei Patienten bei oberflächlichen Tumoren eingesetzt. Durch die Kombination mit Strahlenthe­rapie erzielte man eine signifikante Reduktion der Tumorgröße und verlängerte das krankheitsfreie Intervall, was sonst mit Standardbehandlungen nicht erreicht wurde.

Weitere interessante Studien von Lu et al. (2011) und aktuell aus dem Jahr 2023 von Ö. Öznur et al. unter­suchten die Anwendung von Ganzkörper-Hyperther­mie bei Patienten mit fibromyalgischem Syndrom. Die Ergebnisse dieser kontrollierten Studien zeigten eine signifikante Verbesserung der allgemeinen Lebens­qualität und eine Reduzierung der Schmerzen und Beschwerden bei den Teilnehmern.

Forschung und Entwicklung

Die Hyperthermie ist ein dynamisches Forschungsfeld mit einem starken Fokus auf neuen Technologien, die eine bessere Temperaturkontrolle und gezielte thera­peutische Effekte ermöglichen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung magnetischer Nanopartikel zur gezielten Erwärmung von Tumorzellen. Diese Nano­partikel können in die Tumorregion injiziert werden und bieten eine minimalinvasive Möglichkeit, lokale Hyperthermie exakt zu steuern. Sie sind dafür konzi­piert, durch externe Magnetfelder gezielt erwärmt zu werden, was die Präzision der Behandlung erhöht und gleichzeitig das umliegende gesunde Gewebe schützt [Johannsen et al., 2007]. Ein weiteres vielversprechendes Forschungsgebiet ist die gezielte Kombination von Hyperthermie mit anderen fortschrittlichen Therapien wie der Immuntherapie. Dieses Feld untersucht, wie Hyperthermie das immunogene Potenzial von Tumo­ren erhöhen kann, indem sie die Immunantwort auf Krebs fördert. Durch die Wärmeeinwirkung werden vermehrt Tumorantigene präsentiert, was die Akti­vität von T-Zellen und anderen Immunzellen gegen Krebszellen steigern kann. Auch die Verbesserung der technologischen Plattformen für die Hyperthermie wird intensiv erforscht. Dies umfasst die Entwicklung neuer bildgebender Verfahren, um die Temperaturver­teilung während der Behandlung in Echtzeit zu über­wachen. Diese Verfahren tragen dazu bei, die Behand­lung sicherer und effektiver zu gestalten. Neben den technischen Errungenschaften stellt auch die Pati­entenanpassung eine wesentliche Komponente der Forschung dar. Personalisierte Ansätze, die auf den genetischen und physiologischen Besonderheiten des Patienten basieren, könnten die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Hyperthermie verbessern. In klini­schen Studien wird weiterhin intensiv daran gearbei­tet, die Vorteile der Hyperthermie weiter zu validieren und ihre Anwendungen auf breitere therapeutische Indikationen auszudehnen.

Zukunftsaussichten

Mit der Weiterentwicklung und Forschung wird die Hyperthermie auch in der Zukunft eine noch bedeu­tendere Rolle in der Behandlung spielen. Die Kombi­nation mit immuntherapeutischen Ansätzen könnte ein wichtiges Standbein in der Stärkung des Immun­systems gegen Krebserkrankungen darstellen. Per­sonalisierte Medizin steht hierbei im Fokus, und die verbesserten Möglichkeiten der Hyperthermie ver­sprechen, das Spektrum erheblich zu erweitern und zu optimieren, so sind integrierte Wärmeanzüge mit Tiefen- und Körperkernwirkung ohne größere Anstren­gung sicher eine Zukunftsaussicht.

Fazit

Die Hyperthermie ist eine alteingesessene und zugleich moderne Methode der Medizin, die sich in der therapeutischen Landschaft als wichtig erweist, insbesondere in der Onkologie jedoch auch bei nicht-onkologischen Erkrankungen. Die Technologiefortschritte und kontinuierliche For­schung haben die Anwendungsmöglichkeiten enorm erweitert und bieten vielversprechende Per­spektiven für die Zukunft. Sie bleibt ein kritischer Faktor bei der Verbesserung der Behandlungs­effektivität, der Steigerung der Lebensqualität und möglicherweise der Verlängerung der Überlebens­zeiten von Krebspatienten.

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